Die Edda Anmerkungen (Simrock 1876)

4. Hrafnagaldr Odhins.

Unser Lied gilt für das dunkelste und räthselhafteste der ganzen Edda. Erik Halson, ein gelehrter Isländer des 17ten Jahrh. beschäftigte sich zehn Jahre lang mit demselben ohne es verstehen zu lernen. Wir hoffen glücklicher gewesen zu sein obgleich wir uns gleichen Zeitaufwands nicht zu rühmen haben. Die Schwierigkeit liegt in der mythologisch gelehrten Sprache, zu der wir aber den Schlüßel nicht mehr entbehren. Vermehrt schien sie dadurch, daß man das Gedicht nur zur Hälfte erhalten glaubte. Wie es sich damit verhält, werden wir bald sehen. Auch über seine Echtheit sind Zweifel angeregt. Dietrich (Zeitschrift VII, 314) erklärt es nach Dr. Schering zu Bessastadr in Island für ein Machwerk später Aftergelehrsamkeit und jedenfalls jünger als Snorris Edda. Auch Uhland (Mythus des Thor 128), der sich um seine Erklärung sehr verdient gemacht hat, weist ihm eine verhältnissmäßige späte Abfaßungszeit an, urtheilt aber sonst günstig von ihm, indem er das innere Verständnis der mythischen Symbolik noch durchaus darin herschend findet.

Für seinen spätern Ursprung bezieht man sich auf mancherlei Entlehnungen aus Liedern ältern Gepräges, als Wöluspa, Grimnismal und Wegtamskwida, welche zwar nicht geläugnet werden können, aber die Annahme, daß es jünger sei als Snorris Werk, nur wahrscheinlich machen. Was in letzterm seinem Inhalt entspricht ist der Mythus von Idun, den es aber, ohne Iduns Wesen und symbolische Bedeutung umzuwandeln, doch so wesentlich verschieden behandelt, daß an eine Entlehnung nicht gedacht werden kann. Eine kurze Vergleichung beider Darstellungen wird nähern Ausschluß gewähren. In D. 56 sehen wir Idun mit ihren verjüngenden Äpfeln von dem Riesen Thiassi, der die Gestalt eines Adlers angenommen hatte, entführt, worauf die Asen grauhaarig und alt werden. Sie nöthigen darum Loki, der an ihrer Entführung Antheil genommen hatte, sie wieder zurück zu bringen. Er thut dieß in Gestalt einer Nuß, oder nach anderer Lesart einer Schwalbe, wobei Thiassi ums Leben kommt. Hienach deutet Uhland Idun, in deren Namen er schon die Erneuung ausgedrückt findet, auf den wiederkehrenden Frühling, oder näher auf das frische Sommergrün in Gras und Laub, und ihre Entführung durch den Riesenadler auf die Entblätterung der Bäume und Entfärbung der Wiesen durch den rauhen Hauch der Herbst- und Winterwinde. Auch auf Iduns Erscheinung in unserm Liede findet dieß Anwendung, so wenig dessen Inhalt sonst mit Snorris Bericht übereinstimmt. Idun (Urd) ist auch hier verschwunden, aber kein Riese hat sie entführt: sie ist von der Weltesche herabgesunken und weilt in Thälern bei Nörwis Tochter, der Nacht, wie es scheint in der Unterwelt, wodurch ihr Schicksal dem Gerdhas in dem zuletzt besprochenen Liede ähnlich wird. Das Herabsinken von der Weltesche zeigt uns Idun wieder als den grünen Blätterschmuck, in dem die Triebkraft der Natur sich verkündet. Das Verschwinden der schönen Göttin, die in der Pflanzenwelt waltet, ist auch hier der Herbst, und der allgemeinste Sinn des Liedes läßt sich dahin angeben, daß die Götter in dem Eintritt der Winterzeit ein Sinnbild des nahenden Weltuntergangs erblicken, da sie beim Abfallen des Laubes von trüben Ahnungen ergriffen werden, ein Gefühl, dessen auch wir uns nicht erwehren. In der Zeit des Laubfalls scheint uns die Natur zu altern und wir mit ihr, was D. 56 so ausdrückt, daß die Götter bei Iduns Entführung grau und alt werden. Wenn Idun in Gestalt einer Nuß zurückgebracht wird, so deutet dieß Uhland schön auf den Samenkern, aus dem die erstorbene Pflanzenwelt alljährlich wieder aufgrünt; die andere Lesart, wonach sie als Schwalbe zurückkehrt, hat einen verwandten Sinn, wenn gleich nach unserm Sprichwort Eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Da nach unserm Liede Idun von Iwalt stammt, den wir aus D. 61 als den Vater der kunstvollen Zwerge kennen, die Sifs Haar schmiedeten, so stellt sie die grüne Blätterwelt gleich den in Sifs Haaren verbildlichten goldenen Ähren als das wunderbare Erzeugnis der unterirdisch wirkenden Zwerge dar. Uhland 125.

Aus diesem allgemeinsten Sinn unseres Liedes werden wir auch über das Einzelne Aufschluß erlangen. Nun der Name Odhins Rabenzauber bleibt eine nicht mit Sicherheit zu lösende Rune. Aufklärung sollen wir darüber aus Str. 3 empfangen, deren Sinn aber selbst erst der Erwägung bedarf. Nach ihr macht sich Hugin, einer von Odhins Raben, auf, die Himmel zu suchen, da die Götter von seinem längern Verweilen Unheil besorgen. „Raben,“ sagt Uhland, „durch eine besondere Opferweihe dazu bereitet, ließ man vor dem Gebrauche des Magnets vom Schiffe auffliegen um die Nähe des Landes zu erforschen. Rabenzauber hieß nun wohl die Beschwörungsformel, wodurch diese Vögel zu solchen Diensten geweiht wurden und dann auch die Rabensendung überhaupt, womit sich der Name des Liedes erklärt. Von der Wiederkehr Hugins, des nach Rettung ausgesandten göttlichen Gedankens, schweigt dasselbe. Ein zweiter fehlender Theil mochte das Ergebniss des Rabenflugs und die endliche Erlösung Iduns darstellen.“

Wir verhehlen den Zweifel nicht, ob diese Vermuthung sich mit den Worten, „den Himmel zu suchen,“ verträgt, die eher auf des Raben Rückkehr als auf seine Aussendung zu gehen scheinen. Auch hängt bei solcher Annahme die andere Hälfte der Strophe mit der ersten nicht zusammen. Eine Verbindung läßt sich nur herstellen, wenn man annimmt, daß Hugin zu den Zwergen Dain und Thrain gesandt war, um ihren Ausspruch zu erfragen, der aber so ausfiel, daß er schweren, dunkeln Träumen verglichen wird. Diese erinnern nun an jene Baldurs in dem folgenden Liede, das in seinem Grundgedanken mit dem unsern so innig verwandt ist, daß wir es als dessen vermisste andere Hälfte betrachten. Überraschend wird dieß dadurch bestätigt, daß unser Lied noch eine zweite Überschrift führt, welche Forspiallsliodh lautet. Daß sie nur den ersten fünf Strophen gelten sollte, hinter welchen Rask abtheilt, können wir nicht mit Uhland annehmen, weil in der folgenden sechsten Strophe, wie wir sehen werden, Idun zwar zuerst unter diesem Namen erwähnt wird, aber schon früher unter dem Urds eingeführt war, mit Str. 6 also kein neuer Abschnitt anhebt. Die zweite Überschrift bezeichnet das Gedicht mithin als ein Vorspiel zu dem folgenden, auf das es auch verweist, da die Hindeutung auf den kommenden Morgen und den über Nacht zu faßenden Rath Str. 20, nachdem Iduns Besendung keinen Erfolg gehabt hat, nur die Befragung der Wala (Wöle) meinen kann, die den Inhalt der Wegtamskwida bildet. Ein Vorspiel zur Wegtamskwida ist unser Gedicht auch schon in einem weitern Sinne. Wenn nämlich Wegtamskwida von dem Tode Baldurs, des besten der Asen, handelt, in ihm also die Götterdämmerung gleichsam schon eingeleitet ist, so wird in unserm Liede der Eintritt der Winterzeit eben als ein Vorspiel des nahenden Weltunterganges behandelt.

Daraus ergiebt sich nun, daß unser Lied, wenn auch als Bruchstück gedichtet, doch vollständig erhalten ist, mithin bei der Erklärung des Namens Rabenzauber Odhins auf einen fehlenden zweiten Theil, der das Ergebniss des Rabenflugs bringen sollte, nicht verwiesen werden darf. Bei seiner Deutung sind wir demnach lediglich auf die dritte Strophe angewiesen, welche diese Überschrift wohl veranlaßt haben kann. Freilich ist er von einem einzelnen Zuge hergenommen, und läßt den Grundgedanken des Liedes unausgesprochen. Wir wißen aber auch nicht, von Wem er herrührt, ob von dem Dichter selbst oder von einem spätern Abschreiber. Wir haben gesehen, daß auch Gylfaginning von einem solchen, nicht von seinem Verfaßer, den Namen erhielt. Von dem Dichter unseres Liedes möchten wir glauben, daß er sein viel späteres und darum im Ausdruck gesuchteres Werk nur als Vorspiel zur Wegtamskwida gedichtet und darum auch als Forspiallsliodh bezeichnet habe. Wir wißen nicht, ob Pauli sich auf Handschriften bezieht, wenn er meldet, die Wegtamskwida selber habe einst den Namen unseres Liedes getragen, was jedenfalls auf beider Verbindung deutet.

Die Übersetzung sucht dem Leser das Verständniss des Liedes durch Weglaßung einiger seltnern Namen Odhins und eines Beinamens Iduns zu erleichtern. Letzterer lautet Jorunn Str. 13 und ist vielleicht nur für Idun verschrieben. Einen andern Nanna Str. 8 führt sonst Baldurs Gattin. Wenn Nanna nach Uhlands Deutung die Blüte bezeichnet, wie Baldur das Licht, so war der Dichter nach der kühnen Sprache der nordischen Poesie, von der wir bald andere Beispiele besprechen müßen, durch die Verwandtschaft der Begriffe von Laub und Blüte allerdings berechtigt, diesen Namen für Idun zu gebrauchen.

Str. 1. Das Gedicht beginnt räthselhaft genug mit Aufzählung der verschiedenen Wesen des nordischen Glaubens, die uns bis auf die Iwidien, die etwa den Dryaden der Alten entsprechen (Grimm vergleicht sie unsern Moos- und Waldleuten), schon bekannt sind. Sie werden nach ihrem Verhalten gegen die Schicksale der Welt und den Weltuntergang, das Thema des Liedes, kurz aber treffend bezeichnet.

2. In der folgenden Str. sehen wir die Götter, von widrigen Vorzeichen erschreckt, wegen Odhrörirs in Besorgniss gerathen, welcher Urds Bewachung anvertraut war. Urd ist der Name der ältesten Norne, Odhrörir das Gefäß, in welchem der göttliche Meth, der Asen Unsterblichkeitstrank, aufbewahrt wird. Nichts hat das Verständniss des Liedes so erschwert, als diese Einführung Iduns unter dem Namen Urds, deren Beziehung zu Odhrörir nicht einleuchten noch mit dem folgenden stimmen wollte. In einer spätern Str., der 11ten, wird nämlich eine Wärterin des Tranks erwähnt, und der Zusammenhang zeigt, daß die schon vorher genannte Idun gemeint sei. Das schien nun ein Widerspruch mit unserer Str., wo Urd Odhrörir bewacht. Der Widerspruch löst sich aber, wenn wir annehmen, daß hier Idun Urd, wie Str. 8 Nanna genannt werde. Ihr, die auch die goldenen Äpfel verwahrt, deren Genuß die alternden Götter verjüngt (D. 26), konnte auch die Hut Odhrörirs übergeben werden. Wenn sie aber dabei Urd genannt wird, so ist dieß dem Geist der nordischen Dichtersprache gemäß, die ein Verwandtes für das andere zu nennen liebt, wovon in unserm Liede noch andere Beispiele begegnen. Das erste kann es schon scheinen, wenn der Asen Trank statt ihrer Speise der Hut Iduns übergeben sein soll; doch damit verhält es sich vielleicht, wie wir gleich sehen werden, anders. Iduns Verwandtschaft mit Urd liegt aber in Folgendem: D. 16 berichtet von Urds Brunnen, daß mit seinem heiligen Waßer die Esche Yggdrasils besprengt wird, damit ihre Äste nicht dorren oder faulen. Dieses Waßer hat also auch verjüngende Kraft wie Odhrörir, und indem Idun diesen behütet, wie Urd jenen Brunnen, fällt sie im Begriff mit ihr zusammen und der Dichter darf einen Namen für den andern setzen. Ebenso mögen aber auch beide Verjüngungsquellen einander vertreten, und wir haben an Odhrörir nicht zu denken, sondern nur an Urds Brunnen, da dieser unter der Weltesche liegt, wo wir Str. 6 Idun wiederfinden. Indessen läßt sich aus Odhins Runenlied 3 (Hawamal 141) schließen, daß Urds Brunnen den Namen Odhrörir (Geisterreger) allgemein geführt habe, und nicht bloß in unserer Stelle der kühnen Sprache des Dichters verdanke. Aus seiner Geist erregenden Kraft würde sich dann auch erklären, warum die Götter nach D. 15 an Urds Brunnen ihre Versammlungen halten. Dann ist aber Urd die eigentliche Heldin unseres Liedes, welcher nach Str. 6 der Name Idun nur in der Sprache der Alfen zu gehören scheint, wie ihr der Dichter weiterhin noch andere beilegt.

Diese heilige Quelle hat also ihre verjüngende Kraft entweder schon verloren, oder die Asen besorgen, daß dieses Ereigniss eintreten werde, wie es Str. 6 geschehen ist.

3. Darum (thvi) war Hugin, Odhins Rabe, ausgesandt, darüber den Ausspruch zweier Zwerge zu vernehmen, deren Name bedeutungsvoll klingt. Dain ist mortuus, Thrain nach Myth. 422 contumax oder rancidus. Den Raben kann man nicht umhin, seinem Namen gemäß, auf den göttlichen Gedanken zu deuten; die Zwerge, deren Ausspruch schweren dunkeln Träumen gleicht, scheinen selber nur Träume, aber unheilverkündende, widerwärtige. Ihrer Einkleidung entblößt sagt also die Strophe, die Götter hätten durch Nachdenken über das stockende Wachstum an der Weltesche nichts erreicht als von beunruhigenden Träumen gequält zu werden.

4 und 5 zählen eine Reihe von Erscheinungen auf, die nicht weniger beunruhigend sind als jenes stockende Wachstum, als dessen Folgen sie zugleich betrachtet werden können. Daß den Zwergen die Kräfte schwinden, sagt eben nichts als was wir schon vermuthet haben, daß die Triebkraft der Natur nachgelaßen hat. Zwar könnte darin der Grund angegeben sein, warum Idun die nach Str. 6 zum Geschlechte der Zwerge (D. 61) gehört, die Quelle der Verjüngung nicht zu hüten, zu beschützen, vermochte, vielmehr selbst, wie wir aus eben dieser Strophe erfahren, von der Weltesche herabgesunken ist. Doch thun wir der Einheit des Gedankens willen am Besten, alles von der verlorenen Jungkraft des Brunnens abzuleiten. Die übrigen Erscheinungen, welche sich zum Theil durch die beigeschriebenen, auf Stellen der j. Edda deutenden Zahlen, erläutern, sind vom Herbst hergenommen, mit Ausnahme der letzten, welche eben nur wieder die Rathlosigkeit der Götter ausdrücken soll.

6 führt Idun zuerst unter diesem Namen ein. Die vorwißende Göttin, nicht die vorwitzige, wie Uhland will, heißt Idun, weil das Abfallen des Blätterschmucks als ein Bedeutungsvolles aufgefaßt wird, über das sie späterhin selbst Auskunft geben soll. „Darin, daß sie von Yggdrasil herabsinkt,“ sagt Uhland, „fallen Bild und Gegenstand fast gänzlich zusammen.“

7. Hier ist Nörwis Tochter die Nacht; vielleicht hätten wir aber übersetzen sollen: bei der Verwandten Nörwis, wenn Hel die Unterwelt gemeint ist, wie Str. 11 anzudeuten scheint. Wenn sie aber nun in der Unterwelt weilen soll, wie Gerda, so ist sie wohl mehr die Triebkraft der Natur, die den grünen Laubschmuck hervorgebracht hat, als dieser selbst: diese Kraft hat sich nun in die Wurzel zurückgezogen; der Weltbaum ist entblättert, der Winter eingetreten.

8. Das Wolfsfell, das ihr die Götter geben, wißen wir nicht anders als auf den Reif und Schnee des Winters zu deuten, von dem bedeckt Stauden und Bäume von Neuem zu blühen scheinen.

Die nächsten Strophen 9–14 sind deutlich. Überhaupt scheinen die Schwierigkeiten gehoben. Odhin besendet die versunkene Idun selbst, um sie zu fragen ob das Ihr Widerfahrene der Welt und den Göttern Unheil bedeute. Die Boten sind Heimdal, Loki und Bragi. Warum gerade sie gewählt worden, hat Uhland, auf den ich hier verweise, genügend erklärt. Heimdal, der in Str. 14 der Vormann der Botschaft heißt, ist es auch, der Str. 11 das Wort führt. Aber die Sendung hat keinen Erfolg, Idun weint und schweigt Str. 12. 13, die Boten kehren unverrichteter Dinge heim, nur Bragi, den wir aus D. 26 als Iduns Gatten kennen, bleibt als ihr Wächter zurück. Vermuthlich wollte der Dichter damit ihre Vermählung einleiten. Im Naturgefühl des Altertums, sagt Uhland, ist die schöne grünende Jahreszeit auch die Zeit des Gesanges, des menschlichen, wie des Vogelsanges: darum bleibt Bragi jetzt auch unten bei Idun in ihrer Verbannung, der verstummte Gesang bei der hingewelkten Sommergrüne.

15–20. Noch weniger machen uns die Strophen zu schaffen, welche die Rückkehr der beiden Boten und das Gastmal der Asen beschreiben, bei welchem sie von der Erfolglosigkeit ihrer Werbung Bericht abstatten. Da vertröstet Odhin auf den andern Morgen, und fordert auf, die Nacht nicht ungenutzt verstreichen zu laßen, sondern auf neuen Rath zu sinnen. Diese Stelle kann aber nicht beweisen, daß uns das Gedicht nur zur Hälfte erhalten sei. Den Rath, welchen die Nacht bringen soll, die Befragung der Wöla, führt Odhin in der Wegtamskwida am andern Morgen selber aus. Nur eine Einzelnheit bleibt zu erläutern. Odhins Gesandte kehren von Fornjots Söhnen getragen zurück. Fornjots Söhne sind nach den beiden Bruchstücken über den Anbau Norwegens: Hler, Loki und Kari, Personificationen der Elemente Waßer, Feuer und Luft. Gewöhnlich heißt es nun von den Göttern, wenn sie sich von einem Orte zum andern bewegen: „sie ritten Luft und Meer.“ Dafür steht hier, Fornjots Freunde hätten sie getragen. Ein neues Beispiel des mythologisch gelehrten Ausdrucks bietet die nächste Strophe.

21. Walis Mutter ist nach D. 30 Rinda, die winterliche Erde. Mit Fenrirs Nahrung scheint der Mond gemeint. Fenrir steht hier für den Höllenhund, wie umgekehrt Garm (Wöluspa 41) für Fenrir. Ein Wink, daß die nordische Dichtersprache schon früh Ein Ähnliches, im Begriff Verwandtes für das andere zu setzen liebte, mithin unser Gedicht, so starken Gebrauch es auch von solchen Vertauschungen macht, darum doch nicht für so jung gehalten werden muß. Wir sehen also hier die Schilderung der Nacht begonnen, welche die beiden nächsten Strophen prächtig ausmalen. Mit Str. 24 hebt dann die Beschreibung des Morgens an, auf welchen Odhin verwiesen hat und mit ihr muß unser Vorspiel zur Wegtamskwida schließen.

22. Der reifkalte Riese ist Nörwi, der Vater der Nacht. Die dornige Ruthe, mit welcher er die Völker in Schlaf versenkt, erinnert an den Schlafdorn, womit Odhin die Walküre Brunhild ins Haupt traf. In der nächsten Strophe sehen wir selbst Heimdal, den Wächter der Götter, der weniger Schlaf bedarf als ein Vogel, von der Schlummerlust ergriffen. Übrigens haben wir diese Strophen an die ihnen gebührende Stelle gerückt.

24. 25. In der hier folgenden Beschreibung des anbrechenden Tags wird die Sonne des Zwergs Überlisterin genannt, mit Anspielung auf die auch Alwismal zu Grunde liegende Mythe, daß Riesen und Zwerge, welche vom Sonnenstral getroffen zu Gestein erstarren, mit List bis zum Anbruch des Tages hingehalten und bezwungen werden. Dieser ihrer lichtscheuen Natur gemäß sehen wir beide vor dem Tage der Schlafstätte zufliehen.

26. Aus gleichem Grunde heißt hier die Sonne Alfenbestralerin, wie Skirnisför 4. Ulfruna ist eine der im Hyndluliod aufgezählten neun Mütter Heimdalls. Argiöll (die frühtönende) scheint ein Beiname der Himmelsbrücke, welche Heimdal bewacht.