Mondholz – Ein Mythos und seine Wurzeln

MondholzAlle paar Jahre – besonders kurz vor Weihnachten – geistert der Begriff „Mondholz“ durch die Medien. Meist geht es dabei um Weihnachtsbäume, die angeblich ihre Nadeln nicht bzw. später als andere Bäume verlieren. Forstwirtschaftliche Betriebe springen auf diesen Zug auf, und preisen „nicht faulendes“, „nicht entflammbares“ und „schwundfreies“ Holz an. Die Kritik an Mondholz nimmt zu, denn zumeist können die vollmundigen Versprechungen nicht gehalten werden.

Was ist nun aber überhaupt Mondholz und was hat es damit auf sich? Vereinfacht versteht man darunter das Holz von Bäumen, die zu einer bestimmten Mondphase gefällt werden. Diesem Holz werden besondere Qualitäten in Bezug auf seine Haltbarkeit, Härte, Widerstandsfähigkeit, Feuerbeständigkeit usw. zugeschrieben. Jährlich wird der forstwirtschaftliche Mondkalender veröffentlicht, um die günstigsten Termine für den Holzeinschlag zu bestimmen.

Was sagt die Wissenschaft?

Wie so oft in solchen Fällen, kommen wissenschaftliche Untersuchungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Teils wird zum Beispiel eine deutliche Zu- und Abnahme des Stammdurchmessers bei zu- und abnehmendem Mond ermittelt, was ein Hinweis auf Schwankungen der Holzdichte sein kann. Andere Untersuchungen widersprechen dem allerdings. Mondholz (auch als Mondphasenholz bezeichnet) ist ca. 30% teurer als herkömmliches Holz. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Wunsch des Auftraggebers das Ergebnis der Untersuchung beeinflusst. Belegt ist jedoch, dass Schornsteine und Kamine aus Mondholz gebaut wurden, welches sich zwar schwarz färbte, jedoch nicht brannte.

Mondholz als magisches Material

Für magische Arbeiten nutzen wir ebenfalls Mondholz, auch wenn wir diese Bezeichnung erst Ende des 19. Jahrhunderts übernommen haben. Die gewünschten Eigenschaften dieses Mondholzes haben jedoch weniger mit Härte und Haltbarkeit zu tun. Uns geht es vielmehr um die magischen und heilenden Kräfte. An Mondholz werden sehr hohe Ansprüche gestellt. So wird zum Beispiel nur Holz von Bäumen verwendet, die auch für Heilzwecke genutzt werden. Ich möchte das einmal am Beispiel der Birke verdeutlichen.

Gerade in Nord- und Mitteleuropa ist die Birke sehr weit verbreitet. Als Lebensbaum und Fruchtbarkeitssymbol war sie bei den germanischen Stämmen der Wanin Freyja geweiht. Die Kelten verehrten sie als den Baum der Göttin Brigid. Als Symbol des Reinen und der Fruchtbarkeit wurden Birkenstämme zu Frühlingsbeginn in den Dörfern aufgestellt und geschmückt. Diese Tradition ist auch heute noch als Maibaum bekannt. Birkenzweige sollten als Schutz vor bösem Zauber und Hexerei dienen.

Kaum ein Teil der Birke wurde nicht in der Volksmedizin genutzt. Die weiche Rinde junger Birken eignet sich hervorragend als Verband bei blutenden Wunden und Insektenstichen. Das in ihr enthaltene Betulin fördert die Wundheilung und lindert Schmerzen und Juckreiz. Im Gegensatz zu den Blättern der meisten einheimischen Bäume sind die der Birke für den Menschen genießbar und haben einen hohen Vitamin-C-Gehalt. Sie werden frisch als Salat gegessen oder getrocknet für die Zubereitung von Tee verwendet. Ihre Inhaltsstoffe haben eine harntreibende und antibiotische Wirkung. Als Tinktur, Öl und Salbe fördern sie die Durchblutung. Aus Birkenholz wird der kalorienarme Birkenzucker gewonnen. Birkensaft galt schon bei den Germanen als Schönheitstrunk und Potenzmittel, kann aber auch zu Wein, Met und Likör weiterverarbeitet werden.

Mondholz sammeln

Bevor von einer Birke Mondholz gewonnen werden kann, soll man den Baum über mindestens vier Jahre beobachten. Zwei- bis dreimal im Monat muss er aufgesucht werden, mindestens jedoch kurz vor jedem Neumond und nach jedem Sturm. Dabei wird geprüft, ob der Baum Anzeichen einer Krankheit, Pilz- oder Schädlingsbefall aufweist. Manchmal muss man helfend eingreifen, zumeist reguliert der Baum dies selbst. Schwarzer Ausfluss am Stamm, der eine feste Kruste bildet, ist jedoch ein ernstes Anzeichen abnehmender Lebenskraft. Von solchen Bäumen darf kein Mondholz mehr geerntet werden!

Nach jedem Sturm wird überprüft, ob Äste gebrochen oder der Baum anderweitig beschädigt wurde. Abgebrochene Astenden werden mit einer Säge glatt geschnitten und mit Baumwachs oder alternativ auch Bienenwachs versiegelt. Angebrochene Äste können manchmal auch geschient und so gerettet werden. Die Selbstheilungskräfte der Birke sind sehr stark.

Sind Äste abgebrochen oder so stark beschädigt, dass sie abgesägt werden müssen, so nimmt man wenigstens einen Teil davon mit. Sie werden auf Länge geschnitten, in dünne Scheiben gespalten, getrocknet und verräuchert. Anhand der Stärke und Intensität der dabei freigesetzten Energie kann man Rückschlüsse auf die Qualität des Holzes ziehen. Dazu bedarf es einiger Übung. Das Holz soll einen frischen, waldigen Duft verströmen und die Räucherung eine belebende und reinigende Wirkung haben.

Der richtige Zeitpunkt

Von Mitte April bis Mitte Juni sollte man den Baum in den Tagen vor einem Neumond häufiger besuchen. Mit dem Austreiben der Laubblätter bilden sich auch die Blütenstände voll aus, die Bäume treiben neue Zweige und stehen voll „im Saft“. Legt man die Hände oder eine Wange an den Baum, so spürt man, wie der Birkensaft direkt unter der Rinde durch das Splintholz fließt.

An einem Tag jedoch hält der Baum inne. Wie ein Kraftsportler, der seine Muskeln „aufpumpt“ und eine bestimmte Pose mehrere Sekunden lang hält. Alle Kraft wird dazu verwendet, den Birkensaft bis in die Spitzen der Zweige, hin zu den Blütenständen zu pressen. Das Holz darunter verdichtet sich und nimmt an Härte zu. Das dauert mehrere Stunden bis zu einem Tag und geschieht nur einmal im Jahr kurz vor einem Neumond.

Der genaue Zeitpunkt variiert von Baum zu Baum. Örtliche Gegebenheiten, Bodenbeschaffenheit, Klima, Höhenlage, Konzentration der eingelagerten Mineralien und vieles mehr haben Einfluss auf den exakten Zeitpunkt. Selbst bei nah beieinander stehenden Bäumen kann er um einige Stunden bis zu mehreren Tagen voneinander abweichen. Jedoch darf nur in diesem Zeitraum von einem gesunden Baum geerntetes Holz als Mondholz bezeichnet werden. Auch darf von diesem Baum niemals Birkenwasser entnommen worden sein oder zu einem anderen Zeitpunkt Holz geerntet werden.

Das Ritual

Die Ernte folgt einem vorgeschriebenen Ritual. Zuerst wird der Baum im Abstand von mehreren Metern umschritten. Dabei werden die Waldgeister angerufen und besänftigt.

Ihr Geister des Waldes, heißt mich willkommen
Werdet Zeugen meines Versprechens:
Allein durch Freyjas Güte
Nehme ich dieses Geschenk
Und gebe es zurück
Noch vor Ablauf des Jahres

Vor der Ernte des Astes wird ein Gebet an Freyja gerichtet.

Freyja, Göttin der Fruchtbarkeit und des Frühlings
Dir sage ich Dank für die Wiederkehr des Lebens
Jeder Teil dieses Zweiges soll verwendet werden
Allein dir zu Ehren

Freyja, Göttin der Liebe und des Glücks
Dir sage ich Dank für deine Güte
Du beschenkst uns selbst in der Zeit deiner größten Trauer
Nun bitte ich dich um diese Gabe in der Zeit des Frühlings

Freyja, Göttin des Zaubers
Dir sage ich Dank für deine Macht
Lass sie fließen durch meine Hand
Auf dass der Zauber nicht gebrochen werde

Verwendung

Erst dann wird einer der unteren Äste von der Birke abgetrennt. Die Schnittfläche am Baum wird versiegelt und der Ast bei Bedarf schon vor Ort in transportable Stücke zerlegt. Mehr als ein Ast pro Baum darf nicht entnommen werden. Die nächste Ernte von dem selben Baum erfolgt frühestens nach Ablauf von weiteren vier Jahren. Man kann jedoch jedes Jahr von mehreren Bäumen Äste ernten.

Die Äste werden mit den Spitzen nach unten zum Trocknen aufgehängt. Die zuunterst hängenden Spitzen werden um ca. fünfzehn bis zwanzig Zentimeter gekürzt, damit der Birkensaft abfließen kann. Einige dieser Spitzen werden verwendet, um Setzlinge heranzuziehen. Erst mit Auspflanzen eines Setzlings ist das Versprechen an die Waldgeister erfüllt, das Geschenk zurück zu geben.

Mondholz der Birke wird für verschiedene Amulette und Liebeszauber verwendet. Fertigt eine Völva ihren Stab aus dem Mondholz einer Birke, so wohnt diesem eine besondere Kraft inne. Gleiches gilt für die Heilerstäbe.

 


 
 
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Bild „Mondholz“: Lizenz (shutterstock.com)