Die Edda Anmerkungen (Simrock 1876)

21. Sinfiötlis Ende.

Kein Lied, sondern ein prosaischer Zwischenbericht vielleicht des Sammlers unseres nordischen Heldenbuchs, welcher das, was in den Helgiliedern von Sinfiötli erwähnt war, durch die Erzählung von seinem Tode ergänzen, das Verwandtschaftsverhältniss von Sinfiötli und Helgi zu Sigurd erläutern und den Übergang zu den nun folgenden eigentlichen Liedern vermitteln soll. Der Inhalt ist in der Wölsungasage, die hier nachgelesen zu werden gar sehr verdient, ausführlicher, wahrscheinlich aus alten verlorenen Liedern, erzählt.

22. Gripirs Weißagung.

Dieß Lied, dessen poetischen Werth wir sehr gering anschlagen, wurde wohl nur gedichtet, um den folgenden als eine Art Inhaltsanzeige zu dienen und Sigurds Schicksale übersichtlich zusammenzustellen. Ob es der Sammler verfaßt habe, müßen wir dahin gestellt sein laßen. Der Verfaßer der Wölsungasaga hat es gekannt, da er den Besuch Sigurds bei Gripir erwähnt, weiter aber wuste er, da es nichts Neues enthält, nichts damit anzufangen, wenn nicht etwa die Str. 19 und 27 ff., die von Sigurds Aufenthalt bei Heimir handeln, Veranlaßung gegeben haben, dieß in der Sage schwerlich tief begründete, scheinbar widersprechende Ereigniss einzurücken und auszuführen. Vgl. Grimms Heldens. 350. Brynhildens Todesfahrt weiß zwar auch von einem Pfleger Brynhilds, aber dieser Pfleger ist Agnar nicht Heimir. Auch Gripir ist sonst in der Sage unbekannt, und wenn sein Name nicht auf Grippigenland (Agrippinenland) anspielt wie Hialprek, dessen Sohn Alfs sich Sigurds Mutter Hiördis in zweiter Ehe vermählte, auf Chilperich gedeutet wird, so ist wohl auch er von dem Dichter willkürlich erfunden. Vgl. jedoch J. Haupt Untersuchungen zur deutschen Sage S. 54 ff. Seltsam läßt Str. 13 auf Fafnirs Tod den Besuch bei Giuki folgen und erst dann Str. 15 Brynhilds Erweckung, während doch Str. 31 der Sache gemäß angiebt, Sigurd habe Brynhilden vergeßen nachdem er eine Nacht Giukis Gast gewesen sei; vgl. die Anm. zu Fafnism. Die Erwähnung Helgis Str. 15 scheint müßig, wenn damit der Held der Helgilieder gemeint sein soll. Man hat daher an Hialmgunnar gedacht, der in Sigurdrifas Lied erwähnt wird. Vgl. Brynhildens Todesfahrt mit der Anm.

Die Einkleidung der Schicksale Sigurds in eine Weißagung ist ein Behelf, von dem auch in andern unserer Heldenlieder Gebrauch gemacht wird z. B. in dem dritten von Sigurd, wo Brynhild die künftigen Schicksale Gudruns und ihrer Brüder voraussagt, was wohl auch nur den Zweck hat, dem Leser oder Hörer die Übersicht der Sage zu erleichtern.

23. Das andere Lied von Sigurd dem Fafnirstödter.

Auch dieses Lied haben wir in zwei Abschnitte zerlegt, von welchen der erste fast nur Regins Erzählungen über den Ursprung des Horts enthält, auf dem Regins Bruder Fafnir lag, den zu tödten er ihn reizen will. Aber Sigurd will erst seinen Vater Sigmund und Muttervater Eilimi an Hundings Söhnen rächen. Die Ausführung dieses Vorhabens bildet den Gegenstand des zweiten Abschnitts. Der Ursprung des Horts ist auch D. 62 erzählt, welche überhaupt mit diesen und den folgenden Liedern zu vergleichen ist. Unser ganzes Lied kann als eine Einleitung zu Fafnismal betrachtet werden; Regin, nachdem es benannt sein sollte, tritt auch im zweiten Abschnitte stark hervor. Aber Sigurds Kampf mit Hundings Söhnen ist vielleicht erst durch den zweiten Abschnitt in die Sage gekommen. Daß ihn Gripisspa kennt, entscheidet nichts; aber im zweiten Helgiliede schienen alle Hundingssöhne gefallen und Lyngwi, den unser Lied einen Sohn Hundings nennt, erscheint Wölsungas. Cap. 19 nicht als solcher; seine Feindschaft gegen Sigmund und dessen Schwäher Eilimi entsteht daraus, daß Hiördis ihn verschmähte. D. 62 gedenkt überhaupt des Kampfes gegen Lyngwi nicht. In den ersten Abschnitt sind einige Strophen (3 und 4) im Geiste der Götterlieder eingefügt, die gleichsam ad vocem „waten“ eine ethische Lehre bei überweltlicher Strafe einschärfen sollen. Eben so ist im zweiten Abschnitt die epische Erzählung durch die Belehrung über die Vorzeichen, welche wir „Angänge“ nannten (vgl. Grimm Mythol. 1075), unterbrochen. Sie wird dem Odhin unter dem Namen Hnikar in den Mund gelegt, der eigens deshalb herbei bemüht scheint, obgleich er auch sonst wohl, wie wir aus der Wölsungasage wißen, in die Schicksale der Wölsungen, die von ihm abstammen, eingreift, namentlich aber in die Sigurds, dem er C. 22 das Ross Grani schenkt, das wie er selber heißt, denn es ist ursprünglich das Sonnenross wie er selber der Sonnengott; nähere Auskunft giebt Mein Handb. S. 208 §. 74. Als Apollo Granus wurde Odhin verehrt: dieser Apollo ist kein imberbis, denn Granus bezeichnet ihn als den Bärtigen, wie das Ross Grani von seinen Mähnen benannt ist: das Haar wie die Mähnen bedeuten die Sonnenstralen.

24. Fafnismal.

Auch hier tritt das Ethische bedeutend hervor, die Str. 30 und 31 erinnern ganz an Hawamal; in den Strophen 16–19 ist sogar ein rein mythologisches, den Götterliedern nachgebildetes Gespräch eingelegt. Die Einschiebung hatte aber an unrechter Stelle stattgefunden, zwischen 11 und 12, welche offenbar zusammengehören. Da so Str. 12 unverständlich geworden war, so haben wir sie nebst den beiden andern, die von ihr abhängen, wieder mit Str. 11, aus der sie sich allein erklärt, zusammengerückt, und dem eingeschobenen mythologischen Gespräch einen passenden Platz angewiesen. Auffallend ist wieder, daß Str. 41 den Besuch bei Giuki vor Brynhilds Erweckung erwähnt, wie wir in Gripisspa Str. 13 und 15 denselben Anachronismus, wenn es nicht mehr, vielleicht gar das Ursprüngliche ist, bemerkt haben. Auf die Wichtigkeit der folgenden drei Strophen werden wir ein anderes Mal aufmerksam machen.

Zu S. 200: „Finger in den Mund.“ Nach den Academy III. angeführten Stellen aus Philostratus achten auch die Araber auf den Gesang der Vögel als auf Orakelsprüche, lernen ihn aber erst verstehen, indem sie des Drachen Herz oder Eingeweide verzehren. Von den Bewohnern der indischen Stadt Paroka wird dasselbe in Bezug auf alle Thiere, nicht bloß der Vögel, berichtet.