Pflichtritual der Völven

Pflichtritual der VölvenTermine für das Pflichtritual der Völven sind:
Ostara, die Frühlings – Tagundnachtgleiche am 19., 20. oder 21. März
Litha, die Sommersonnenwende am 20., 21. oder 22. Juni
Mabon, die Herbst – Tagundnachtgleiche am 22., 23. oder 24. September
Jul, die Wintersonnenwende am 21. oder 22. Dezember

Pflichtritual der Völven I

Der Ablauf ist immer gleich: Im Vorfeld bereitet die Völva einen Trank und eine Speise zu und fertigt ein Schmuckstück aus Gold oder Bernstein an. Damit begibt sie sich zu einem Bach. Die Begleitung durch andere Völven und Schamaninnen, aber auch durch Frauen, die die Völva unterstützen wollen, wird ausdrücklich befürwortet.
Männer haben fernzubleiben! Sie dürfen einen Ring um den Ritualplatz bilden, um die Völva zu schützen. Blickrichtung vom Ritualplatz weg. Als Bach wird ein fließendes Gewässer definiert, dass man ohne schwimmen zu müssen durchqueren kann.

Am Bach angekommen entledigt sich die Völva als erstes ihrer Kleidung. Das mitgebrachte Getränk und ein Becher werden am Ufer bereitgestellt. Die mitgebrachte Speise wird auf einem hölzernen Teller wohlgefällig angerichtet und ebenfalls am Ufer bereitgestellt. Das Schmuckstück aus Gold oder Bernstein wird auf einem Stück Birkenrinde dergestalt arrangiert, dass seine Schönheit und Kunstfertigkeit zur Geltung kommt.

Sind andere Frauen anwesend, so wird von ihnen erwartet, dass sie die Gaben ausgiebig und lautstark preisen, auf dass die Göttin vom großen Wert der Opfer überzeugt werde.

Dann nimmt die Völva die Birkenrinde mit dem Schmuckstück mit beiden Händen und geht bis in die Mitte des Baches. Mit Blickrichtung bachabwärts kniet sie nieder und dankt Freyja für die Schätze, die diese den Menschen geschenkt hat. Sie setzt die Birkenrinde auf das Wasser, bietet Freyja das Schmuckstück als Opfer an und lässt es schwimmen. Dann erhebt sie sich und geht zum Ufer zurück.

Pflichtritual der Völven II

Während die Völva zum Ufer zurückkehrt, wird von den anderen Frauen wieder erwartet, dass sie das Schmuckstück loben und Freyja auffordern, es wohlwollend anzunehmen. Erreicht die Völva das Ufer, schweigen sie wieder, um ihre Konzentration nicht zu stören.

Als nächstes gießt sie den Trank in den Becher, umfasst diesen mit beiden Händen und geht wieder in die Mitte des Baches. Dort kniet sie wieder mit Blickrichtung bachabwärts nieder und dankt Freyja für die Liebe, die sie den Menschen entgegenbringt. Langsam wird der Inhalt des Bechers in den Bach entleert und dabei Freyja gebeten, den Trank als Opfer anzunehmen. Ist der Becher geleert kehrt die Völva wieder zum Ufer zurück während die anderen Frauen den Trank loben und Freyja auffordern ihn als Opfer zu akzeptieren.

Pflichtritual der Völven III

Die Völva stellt den Becher ab und nimmt nun den Teller mit der Speise, ebenfalls mit beiden Händen. Wieder geht sie zur Mitte des Baches, kniet mit Blickrichtung bachabwärts nieder und dankt Freyja für den Zauber, den sie die Menschen gelehrt hat. Sie nimmt Stück für Stück der Speise vom Teller, gibt sie ins Wasser und bittet Freyja, die Speise als Opfer anzunehmen. Ist der Teller leer, kehrt die Völva wieder zum Ufer zurück, während die anderen Frauen erneut die Gabe loben und ihre Annahme fordern. Der leere Teller wird am Ufer abgestellt.

Wichtig! Von diesem Moment an bis zum Ende des Rituals haben die anderen Frauen zu schweigen!

Pflichtritual der Völven IV

Mit leeren Händen geht die Völva erneut bis zur Mitte des Baches und kniet nieder. Diesmal jedoch mit Blickrichtung bachaufwärts! Sie schöpft mit beiden Händen Wasser, reinigt ihr Gesicht, und bittet Freyja darum, weiterhin ihr Wissen und ihre Gaben mit den Menschen zu teilen. Dann erhebt sie sich und geht zurück zum Ufer. Damit ist das Ritual beendet.

Hinweise

Hat Freyja Anlass, an der Aufrichtigkeit der Völva zu zweifeln, wird sie sie im Wasser festhalten, auf dass sie ohne fremde Hilfe ertrinken werde. Jedoch wird Freyja andere nicht daran hindern, sie zu erretten. Führen mehrere Völven das Ritual gemeinsam aus, so muss dies nacheinander geschehen. Die zweite Völva entkleidet sich also erst, wenn die erste Völva das Ritual vollständig beendet hat.

Führt eine Völva dieses Ritual erstmalig aus, so muss es zu Ostara sein! Wird ein Termin versäumt, so darf die Völva erst nach dem nächsten Ritual wieder als solche tätig werden. Das nächste Ritual darf jedoch frühestens nach Ablauf eines Jahres durchgeführt werden und der Termin muss wieder zu Ostara sein. Vorgeschriebene Worte für dieses Ritual sind nicht überliefert.

Häufige Fragen zu diesem Ritual

Frage: Warum wird 3x bachabwärts und einmal bachaufwärts geschaut?
Antwort: Die Blickrichtung entspricht dem Anliegen der Völva. Gibt sie ein Opfer und einen Dank, so nimmt das Wasser es mit sich und die Völva schaut ihm nach. Erbittet sie etwas, so bringt das Wasser es zu ihr, sie schaut ihm also entgegen.

Frage: Warum wird ein Schmuckstück aus Gold oder Bernstein geopfert?
Antwort: Freyja beschenkt die Menschen auf Midgard mit Schätzen, wann immer sie weint. Fallen ihre Tränen auf Stein so werden sie zu Gold, fallen sie ins Wasser, so werden sie zu Bernstein. Mit einem Schmuckstück aus diesen Materialien gibt die Völva ein wenig von diesen Gaben als Dank zurück.

Frage: Warum dankt die Völva Freyja für die Liebe und den Zauber?
Antwort: Freyja ist die Göttin der Liebe und der Ehe, des Glücks, der Fruchtbarkeit und des Frühlings und Lehrerin des Zaubers (Seiðr).

Frage: Warum muss die Völva nackt in den Bach gehen?
Antwort: Es ist durchaus denkbar, dass es sich hierbei um einen Fehler handelt. Die Überlieferungen wurden mehrfach handschriftlich kopiert, wobei verschiedene Schriftformen verwendet wurden. Wir mussten diese Aufzeichnungen regelrecht übersetzen. Es kann daher durchaus sein, dass „nackt“ nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern dass damit ursprünglich „schutzlos“ gemeint war. Heute ist es üblich, dass die Völven unter einem Kleid oder Poncho „nackt“ in den Bach gehen.

Allgemeines

Grundsätzlich lehnen wir es ab, bei einem Gebet, Opfer oder dergleichen, vor den Götter auf die Knie zu sinken. Eine demütige und unterwürfige Einstellung, wie sie in manchen Religionen vorgeschrieben ist, liegt uns fern. Wir betrachten uns als die Juniorpartner in einer Beziehung, die auf Achtung und gegenseitigem Respekt, nicht jedoch auf Angst beruht.

Das von einer Völva dennoch erwartet wird, bei dem Pflichtritual im Bach zu knien, hat wohl eher pragmatische Gründe: Sie wird in ihrer Entschlossenheit geprüft. Zu Litha mag es ja noch ganz nett sein, aber an Jul in einem Bach zu knien, ist nun wirklich kein Vergnügen.

Ein Teil der Beschreibung dieses Rituals in der Überlieferung bringt uns immer wieder zum Schmunzeln. Er bezieht sich auf die Frauen, die die Völva unterstützen, denn es hat „des lautstarken Lobpreisens der Weiber eher die Wirkung denn ihrer Wahrhaftigkeit“. Influencer-Marketing ist wohl doch keine neuzeitliche Erfindung …

 


Zurück zur Startseite
 
Bild: „Freyja und die Halskette“ von James Doyle Penrose (1862-1932) | © PD