Zeremonien

ZeremonienEine Zeremonie ist ein nach einem festgelegten Protokoll oder Ritus ablaufender förmlich-feierlicher Akt. In Zeremonien finden in der Regel bestimmte Rituale oder vorgegebene Handlungen statt, die oft Symbol­charakter besitzen.

Viele Zeremonien, wie sie unsere Vorfahren durchgeführt haben, sind heute noch bekannt, werden jedoch nur noch selten praktiziert. Ich finde das sehr bedauerlich! Wer einmal eine Handfasting-Zeremonie oder eine Muntfeier erlebt hat, wird mir sicher zustimmen, dass solche Zeremonien wieder zu unserem Alltag gehören sollten.

Es gibt jedoch den einen oder anderen Lichtblick. Gerade Trauungen werden schon seit einigen Jahren hier und dort auf „nordische Art“ wieder angeboten. Ob man sich dabei streng an Überlieferungen hält, oder selbst kreativ wird, finde ich gar nicht so wichtig. Je breiter und vielfältiger das Angebot, um so besser. Die „Kunden“ können so wählen, was zu ihnen passt.

Im Folgenden stelle ich einige Zeremonien vor, wie sie mir für die heutige Zeit praktikabel erscheinen. Die Abläufe basieren auf alten Überlieferungen.

Handfasting

Handfasting gehört zu den Zeremonien, die je nach Verwendung des Begriffs eine nicht offizielle Hochzeit, eine Verlobung oder eine vorübergehende Hochzeit definieren können. Wir haben dazu eine Zeremonie entwickelt, die – ganz nach Wunsch – mehrere Rituale beinhalten kann.

Das Sumbel

Ursprung des Sumbel ist ein Ritual der Germanen aus vorchristlicher Zeit. Der Sumbelgeber, meist ein Häuptling, Anführer oder ein besonders angesehenes Mitglied der Gemeinschaft, stellte einen Kessel mit Met oder Bier bereit. Er eröffnete, leitete und beendete das Ritual. Der Kessel, und besonders natürlich das Getränk darin, wurden geweiht. Dann wurde ein Becher oder Trinkhorn gefüllt, welches man unter den Sumbelteilnehmern kreisen ließ. Weitergereicht wurde es nicht von Teilnehmer zu Teilnehmer, sondern von der sogenannten Schankmaid, meist die Ehefrau oder eine Tochter des Sumbelgebers. Diese füllte auch das Trinkgefäß bei Bedarf wieder auf.

Die Schankmaid selbst nahm nicht am Sumbel teil. Es galt jedoch als große Ehre, den Teilnehmern als Schankmaid dienen zu dürfen. Der Sumbelgeber war meist ein Mann, teilnehmen durften jedoch sowohl Männer als auch Frauen. Es gab aber auch Sumbel, die nach Geschlechtern getrennt durchgeführt wurden, wobei auch eine Frau als Sumbelgeberin auftreten konnte.

Weljakwuman, der willkommene Gast

Das Ritual der Familien wird zumeist von einem runischen Schamanen geleitet. Es findet bevorzugt am Rande eines Gewässers statt und festigt den Zusammenhalt innerhalb der Familie und der Gemeinschaft. Der Name Weljakwuman stammt vermutlich aus dem Protogermanischen und bedeutet so viel wie „Willkommener Gast“ oder auch „Erwünschter Gast“.
Zeremonien und Rituale haben nicht immer etwas mit der Anrufung von Göttern zu tun. Manchmal geht es auch einfach nur um Spaß und Gemeinschaft. Weljakwuman ist dafür ein schönes Beispiel.

Der Ahnenpfad

Dieses Ritual kann alleine durchgeführt werden. Seine stärkste Kraft entfaltet es jedoch bei nach Geschlechtern getrennten Gruppen und geführt durch eine Ritualleiterin bzw. einen Ritualleiter. Eine Frauengruppe geht dabei den Ahninnenpfad, eine Männergruppe den Ahnenpfad. Es braucht etwas Platz und sollte daher in einem größeren Raum, besser noch im Freien durchgeführt werden. Allerdings muss man sich einen Platz suchen, an dem man vor Störungen geschützt ist.
Zur Vorbereitung kann man den Ritualplatz Einhaseln und/oder einen kleinen Altar errichten. Dazu ist ein Baumstumpf ebenso geeignet wie ein Klapptisch und als Altardecke kann die schwere Brokatdecke von Großtante Elfriede genau so gut herhalten, wie ein Bettlaken. Es spricht aber auch nichts dagegen, sich einen speziellen Altar anzufertigen. Für Runer ist ein Altar kein sakraler Gegenstand sondern schlichtweg ein Hilfsmittel. Deshalb kann er aber trotzdem hübsch gestaltet sein.

Kinderweihe

Durch die Kinderweihe oder Kindsweihe wird das neugeborene Kind begrüßt und in die Gemeinschaft aufgenommen. Dazu versammeln sich die Eltern mit dem Kind, die zukünftigen Paten und geladene Gäste zu einem familiären Ritual.

Muntfeier

Als Muntfeier, das „für Mündig erklären“, werden die Feierlichkeiten zum Übergang von der Kindheit zum Jugend- und Erwachsenenalter bezeichnet. Dabei kann es sich sowohl um ein kurzes Ritual, als auch um ein mehrtägiges Ereignis mit verschiedenen Prüfungen handeln. Teils werden Muntfeiern im engsten Familienkreis, teils als Feste mit der ganzen Gemeinschaft begangen. Muntfeiern individuell zu gestalten ist keineswegs schwer, das vorgestellte Ritual soll dabei als Anregung dienen.

Ritual der Erinnerung

In unseren Familienaufzeichnungen wird erstmals 1911 ein Totenritual beschrieben, welches aus einem alten Ritual und den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen aus der Runenarbeit entwickelt wurde. Über lange Zeit wurde immer wieder erfolglos versucht, mit einzelnen Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Kontaktaufnahme zu „den Ahnen“ als Gruppe waren keineswegs ungewöhnlich, einzelne Individuen zu kontaktieren schien jedoch nicht möglich zu sein. Mitte der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte der Runenmeister Higuran Warja gemeinsam mit seinem Schüler Rewa Kasor eine Theorie, die heute in unserer Familie allgemein anerkannt wird.

In vielen Mythen und Sagen wird die Totenwelt als ein Ort beschrieben, den zu erreichen die Seelen einen Fluss überqueren müssen. In der Nordischen Mythologie werden drei Quellen beschrieben, die an Yggdrasils Wurzeln liegen: Die Urquelle Hvergelmir, der Urdbrunnen und Mimirs Brunnen. Ob die Seelen Verstorbener nun nach Hel, Walhall oder Folkwang kommen, in jedem Fall müssen sie einen der aus diesen Quellen entspringenden Flüsse durchqueren. Nach Higuran Warja`s Theorie werden die Erinnerungen der Seelen von den Flüssen mitgenommen und durch den Kreislauf des Wassers gelangen sie in die Quelle Hvergelmir. Der Verlust ihrer Erinnerungen macht es den Seelen der Verstorbenen unmöglich, auf individuelle Anrufungen zu Antworten. Von dieser Theorie ausgehend wurde das Totenritual erneut überarbeitet und angepasst und wird heute als Erinnerungsritual durchgeführt.

Anmerkungen zum Ritual der Erinnerung

In der Forschung wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass Hvergelmir, Mimirs Brunnen und der Urdbrunnen verschiedene Beschreibungen einer Quelle sind. In gewisser Weise kann ich dem zustimmen. Die Urquelle zeigt sich dem Reisenden als Hvergelmir, der Quelle, aus der alle Flüsse gespeist werden. Hat man einen gewissen Kenntnis- und Fähigkeitsstand erreicht, zeigt sie sich als Mimirs Brunnen, jener Quelle, aus der Odin trank um die Gabe des Hellsehens zu erlangen. Sieht man auf der Quelle die zwei Schwäne schwimmen, hat sie die Form des Urd- oder Schicksalsbrunnens angenommen.

Wir gehen davon aus, dass die Seelen der Verstorbenen (Wir verwenden den Begriff „Hugr“) bei ihrem Weg in das Totenreich nicht nur ihre Erinnerungen sondern auch Gefühle und Emotionen in den Flüssen ablegen. Da alle Wasser wieder zur Urquelle zurückkehren, werden dort alle Erinnerungen, Gefühle und Emotionen gesammelt. Die Erinnerungen machen aus Hvergelmir Mimirs Brunnen, die Quelle der Weisheit, denn Erinnerungen sind Wissen. Die Gefühle und Emotionen beeinflussen dagegen das Wasser des Schicksalsbrunnens.

 
 


 
 
Bild: Handfasting-Zeremonie im Garten der Roten Völva Mariz Gawaldan, © Rewa Kasor
 
 
Zurück zur Startseite